18. Garten morgens mit Tau

Am frühen Morgen im Garten

Morgens früh aufzuwachen kann für Menschen, die nicht zu den passionierten Frühaufstehern gehören, lästig und unangenehm sein. Für Naturfotografen mit einem Garten vor der Haustür eröffnet sich eine Aussicht, all das, was im Garten vorzufinden ist, nicht nur in besonderem Licht zu erleben, sondern darüber hinaus besonders reizvolle Ansichten einzubeziehen.

Denn der frühe Morgen lockt mit fotografischen Möglichkeiten, die der Tagesverlauf nicht mehr bieten kann. Dazu gehört das Einbeziehen des Morgentaus.


Kuhschelle. 1. Mai. Um die Tropfen vom Hintergrund der Wiese abzuheben, wurde mit langer Brennweite bei offener Blende mit Fokusverlagerung fotografiert.  Bei der Verrechnung der einzelnen Aufnahmen wurden nur diejenigen berücksichtigt, die diese Pflanze scharf zeigen. -
Lumix G9, 210mm (Olympus 2,8/40-150mm + MC-14), f/4, 1/500 sec, -0,66 EV, ISO 200, Stack aus mehreren Einzelaufnahmen

Wie Morgentau entsteht, lässt sich nüchtern erklären: Kondenswasser bildet sich, wenn der Taupunkt unterschritten wird, also der Temperaturwert, unterhalb dessen Luftfeuchtigkeit zu kondensieren beginnt, weil die Luft keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen kann. Der Taupunkt ist also sowohl von der Temperatur abhängig, denn kühle Luft kann weniger Feuchtigkeit aufnehmen als warme, als auch davon, wieviel Feuchtigkeit in der Luft bereits enthalten ist. 
Diese grobe Skizzierung der physikalischen Zusammenhänge lässt Überlegungen zur Planung der fotografischen Arbeit zu, die von der alltäglichen Erfahrung bestätigt werden: 
Besonders hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Tau entstanden ist, in bodennahen Bereichen nach klaren Nächten, wenn der Erdboden Tageswärme abstrahlen konnte und der Temperaturunterschied zu den Tagestemperaturen besonders groß ist. 
Wenn die relative Luftfeuchtigkeit am Tage bereits hoch war, reicht bereits eine geringere nächtliche Abkühlung dafür aus, dass der Taupunkt unterschritten wird.


Fliege auf einem Blatt des Frauenmantels, im Gegenlicht. Zweite Junihälfte, 7 Uhr. -
Sony A6400, 269mm (Sony E 4,5-6,3/70-350mm), f10, 1/1600 sec, ISO 640, -1EV, Stack aus 46 Einzelaufnahmen. Die kleine Blendenöffnung wurde hier gewählt, um einen harten Schärfeabsiss zu vermeiden.

Für die praktische fotografische Arbeit wirkt sich in den Teilbereichen des Gartens aus, wie schnell die Fläche am Morgen von den Sonnenstrahlen erfasst wird. Am Ostrand unseres Gartens stehen außerhalb einige recht hohe Bäume, die die Sonne vor allem in den Frühjahrs- und Herbstmonaten noch länger fernhalten, so dass deren Strahlen nicht so bald den Boden mit den Pflanzen und den kleinen Tieren erfassen können und durch die Erwärmung die Feuchtigkeit verdunsten lassen.
Darum führt mich der Weg in den Garten zunächst an die Stellen, zu denen die Sonne zuerst vordringen wird. Habe ich hier die Chancen überprüft und vielleicht nutzen können, wandere ich ein paar Schritte ostwärts, wo der Tauniederschlag spürbar länger erhalten bleibt.

Nicht nur die Sonne, auch der Wind hat seine Hand im Spiel, wenn es um die Beständigkeit des Taus geht. Der Wind, der ja generell bei Makrofotografen wenig beliebt ist, hat am Morgen in der Regel noch weniger Kraft gewonnen. Temperaturunterschiede, wie sie durch die wärmenden Sonnenstrahlen hervorgerufen werden, geben dem Wind in der Regel Energie. 
Auch dies erleichtert das Fotografieren am frühen Morgen. Und das Licht ist weniger gewöhnlich. Die Farben wirken vielfach frischer als am Mittag.

Diese Tauwirkung anzutreffen erfordert in den Wochen der langen Tage, also um die Sommersonnenwende herum, recht frühes Aufstehen. Allerdings bleibt in den beschatteten Bereichen der Tau oft noch eine Weile erhalten, auch in den Wochen, in denen die Sonne früh aufgeht.

Tau als bildbestimmendes Element oder als visueller Akzent

 

Fotografisch zu entscheiden bleibt, wie bildbestimmend und wirkungsvoll die Tautröpfchen sein sollen. Die Spannbreite ist weit. Eine verfremdete Sicht auf das Motiv, das ganz vom Eindruck der Nässe gezeichnet ist, dadurch veränderte Farben und Formstrukturen aufweist – das ist eine mögliche Variante. Auf der anderen Seite können Tautröpfchen dezent bleiben, dem Motiv Frische geben, ohne als primär wirkungsbestimmendes Element wahrgenommen zu werden. 


Vergissmeinnicht. Die Pflanze wirkt durch den Tauniederschlag verfremdet. – Mitte Mai, gegen 7.35 Uhr. - Lumix G9, Olympus 2,8/60mm, f/4,5, 1/320 sec, ISO 640, -0,66 EV. Stack aus 85 Aufnahmen. Stativ mit Einstellschlitten.


Storchenschnabel, Ende August. Hier setzt der Tau Akzente, wird aber nicht bildbestimmend. 
 
Um die Blüte mit der Krabbenspinne und den verblühten Stängel vom Hintergrund abzuheben, habe ich mit offener Blende fotografiert und aus der Vielzahl der Einzelbilder einer Fokusreihe nur diejenigen verwendet, die diese beiden Elemente scharf zeigen. - Nikon Z 7II, Sony 2,8/90mm Macro, f/2,8, 1/2000 sec, ISO 800, Stack aus vielen Einzelaufnahmen


Gemeine Becherjungfer (weiblich) an Greiskraut-Blüte am frühen Morgen. Die Tautröpfchen lassen Kühle und Starre erahnen, die Libelle wirkt dadurch  hilflos, vielleicht ängstlich. -
Nikon Z 9, Sigma 2,8/150mm Macro, f/4, 1/250 sec, ISO 1400, Stack aus 122 Aufnahmen


Langbauch-Schwebfliege an einem Stängel. Manchmal genügt ein einzelner Tropfen, um einen bildwirksamen Akzent zu setzen. 1. Juli, 5 Uhr 20. - Nikon Z 9, Nikkor Z MC 2,8/105mm Macro, f/5,6, 1/30 sec, -0,7 EV, ISO 64, Stack aus 80 Einzelaufnahmen

 

Nach den Tautröpfchen: Nässe am frühen Morgen


Tau und Nässe haben nicht nur visuellen Reiz, manchmal erleichtern sie das Fotografieren, wenn Insekten und Spinnen von der Kühle noch starr sind, oder ermöglichen Fotos überhaupt erst.

Tautropfen sind optisch reizvoll. Die morgendliche Nässe muss sich aber nicht immer in Tropfenform niederschlagen. Ein nasses Fell – wenn man die Behaarung von Insekten so nennen möchte – wirkt zwar nicht so edel, dafür aber bringt es uns die Insekten näher: Es lässt sie uns viel tierisch-menschlicher erscheinen, weil es so viel mehr an nasse „große“ Tiere mit Fell erinnert.



Am frühen Morgen an den Knospen einer Stockrose: Eine Hummel, nass, daher noch nicht flugfähig, sitzt ruhig an dem Platz, den sie sich für die Übernachtung ausgesucht hatte. Kurz nachdem diese Aufnahme entstanden war, begann sie langsam mit den ersten Bewegungen, die an ein Sich-Waschen und Sich-Putzen erinnern.  Ende Juli.  - Sony A7II, Canon EF 2,8/100mm Macro, f/4, 1/20 sec, ISO 640, Stack aus mehreren Aufnahmen


Insekten in der morgendlichen Kühle


Hummeln, die am Tage wegen ihrer emsigen Bewegungen kaum detailliert und zugleich im Ganzen zu fotografieren sind (Makroaufnahmen im Stacking-Verfahren sind beispielsweise eher selten möglich) bleiben noch regungslos, und sie sehen zudem ungewöhnlich aus, wenn sie vom Tau noch nass sind. Besonders lohnende Momente kann es geben, wenn Tiere aus der Nachtruhe in die Phase der Tagesaktivität übergehen. Manche Insekten putzen sich, sie sind bei der Morgentoilette zu beobachten. Das ist faszinierend und fordert zu Videoaufnahmen heraus, doch auch mit Einzelbildern lassen sich ungewöhnliche Haltungen dokumentieren und in der Phantasie des Betrachters die Bewegungsabläufe nachvollziehen.
Das morgendliche Sich-Putzen erinnert an das Waschen der Menschen. Im restlichen Tagesverlauf beobachten wir Spinnen und Insekten nur in ihren typischen Verhaltensweisen. Allgemeine Verhaltensweisen, die von vielen Tieren und Menschen geteilt werden, lassen sich bei dem Übergang von der Nachtruhe in die Aktivität des Tages sehen. Auch Spinnen und Insekten reiben mit ihren Extremitäten über den Kopf, über die Augen. Das ist für uns beobachtende Menschen eine merkwürdige Erfahrung: auf einmal scheinen uns diese fremdartigen Wesen so nah zu sein…

Will man am frühen Morgen fotografieren, weil der Wind noch ebenso schläft wie manche Insekten oder weil die Kühle die Bewegungen zumindest noch dämpft oder weil einfach das Licht viel reizvoller ist als am Mittag, so sind häufig – je nach Wetterlage - Tautröpfchen auf den Fotoobjekten unvermeidlich. Nach klaren, verhältnismäßig kühlen Nächten ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es zur Kondensation von Wasser kommt, also zu Tauniederschlag. Möchte man den gezielt als Element in die Aufnahmen einbeziehen, so ist je nach Jahreszeit ein mehr oder weniger frühes Aufstehen nötig. Mitte Mai kann zwischen 7 und 8 Uhr ein geeigneter Zeitraum sein.

                   


Teichjungfer - Zweite Augusthälfte, 8.24 Uhr. -
Sony A7RIII, Laowa 2,8/100mm Ultra Macro 2:1, offene Blende (f/2,8), 1/200 sec, ISO 1250, -0,7 EV, Stack aus 64 Aufnahmen

Auch bei Windstille kann es bei manchen herausfordernden Motiven schon Aufnahmeprobleme durch quirlige Bewegungen geben, wie bei diesem Nest zahlloser junger Spinnen.

 


Nest mit jungen Gartenkreuzspinnen. Kleiner Ausschnitt. – Mitte Mai, gegen 7.15 Uhr. -- Lumix G9, Olympus 2,8/60mm, f/4, 1/160 sec, ISO 640, -1 EV. Stack aus 53 Aufnahmen. Stativ mit Einstellschlitten. – Die Bewegung der Spinnen erforderte eine langwierige Ausarbeitung in Helicon Focus, bis ein zufriedenstellendes Bildergebnis erreicht werden konnte.

Tautropfen an Spinnennetzen sind ein beliebtes Motiv – vor allem im Spätsommer und im Herbst häufig zu finden. Aber auch das Frühjahr kann Chancen dafür bieten, Tauniederschlag an kaum sichtbaren Spinnfäden zu finden – anders als bei den beliebten Aufnahmen mit glitzernden Spinnennetzen im Gegenlicht.
Nicht immer muss das Insekt selbst nass, durch die Feuchtigkeit gezeichnet aussehen. Das pflanzliche Umfeld, das Blatt, der Stängel können die Tropfen zeigen.


Hornfliege auf einem Himbeerblatt. – Mitte Mai, gegen 7.40 Uhr. - Lumix G9, Olympus 2,8/60mm, f/5, 1/80 sec, ISO 640, -1 EV. Stack aus 36 Aufnahmen. Stativ mit Einstellschlitten.

Tautropfen einzubeziehen fordert immer auch die Überlegung heraus, welche Wirkung das Licht entfalten soll. Dabei werden elementare Einstellungen des Fotografen zu seiner Tätigkeit berührt.

Meine Haltung: Grundsätzlich versuche ich natürliche Lichtwirkungen zu erhalten, festzuhalten, und vermeide Effekte. Dezente Wirkungen bevorzuge ich.
Brechungen in den Tautropfen zeigen manchmal die Umgebung des Aufnahmestandorts, wenn die Tautropfen wie Weitwinkel-Linsen wirken. Oder die Lichtquellen bilden sich ab. Wenn mit natürlichem Licht gearbeitet wird, sind das die Sonne oder helle Zonen des Himmels. Natürlich spielt die Richtung, aus der das Licht kommt, eine entscheidende Rolle. 

Schließlich gibt es noch einen weiteren Gesichtspunkt in diesem Zusammenhang: das Bokeh des verwendeten Objektivs. Bei Lichtbrechungen und in Gegenlicht-Situationen wird es in den Unschärfe-Bereichen bildwirksam.

 


Zikade an der Blüte des Frauenmantels. Die Lichtbrechung in den Tautröpfchen lässt den Hintergrund, das Umfeld einerseits zurücktreten, wirkt andererseits verfremdend. - Zweite Junihälfte, 6.50 Uhr. - 
Sony A7II, Apo Ronar 9/240mm, f/11, 1/1600 sec, -0,3EV, ISO 1000, Stack aus mehreren Aufn.

 


Eine spannende Begegnung: Die noch kaum bewegungsfähige Libelle versuchte der abwärts ziehenden Schnecke auszuweichen. Es gelang, die Tiere kamen aneinander vorbei. -  Mitte August, 7.45 Uhr.  
OM-1, Olympus 2,8/60mm, f/4, 1/125 sec, ISO 640. Stack aus 71 Aufnahmen. Stativ mit Einstellschlitten.

Die Welt der Insekten verändert sich, wenn der Hochsommer vorüber ist. Im Spätsommer sind mehr Spinnen zu finden, Insekten werden weniger zahlreich, aber bei genauem Durchmustern der Stängel stößt man manchmal auf Libellen, die sich in der Nacht dicht daran geklammert haben, um möglichst verborgen zu bleiben.


Weichwanze auf einem Himbeerblatt. – Zweite Julihälfte, 7.10 Uhr. -  OM-1, Olympus 2,8/60mm, f/4, 1/125 sec, ISO 640. Stack aus 71 Aufnahmen. Stativ mit Einstellschlitten.

Verblüht – dennoch anziehend


Von der Jahresmitte an mehren sich die Blüten, die nicht mehr auf dem Höhepunkt ihrer Pracht sind. Manchmal stehen noch frische Blütenstände neben solchen, die schon keine Farbe mehr zeigen.

Als „verblüht“ genießen Pflanzen bei den meisten Menschen nicht mehr den Ruf, anziehend zu sein. Dennoch eröffnet ein unvoreingenommener Blick vielfach immer noch ansprechende Farben und häufig neue, feine Strukturen, von denen keine mehr oder weniger kräftig gefärbten Blütenblätter mehr ablenken. Auch hier erhöhen Tautröpfchen den Reiz.


Verblühte Kokardenblume. – Zweite Julihälfte, 6.14 Uhr. -  OM 1, Olympus 2,8/60mm Macro, f/4, 1/100 sec, ISO 640, -0,3 EV, Stack aus 33 Aufnahmen.

Noch später - wenn alle Farben verschwunden sind, die einst Insekten anlocken sollten - kommen neue Formen zur Geltung, die im eingeschränkten Farbbereich geradezu ausdrucksstark werden können.

 

Kameraeinstellungen


Um die feinen Tautröpfchen zur Geltung kommen zu lassen, wird die Schärfenebene auf die entsprechenden Bildteile gelegt. Soll der Hintergrund weich und unscharf werden, damit die Wirkung der Freistellung unterstrichen wird, empfiehlt es sich, eine möglichst lange Brennweite einzusetzen und mit weit geöffneter Blende zu arbeiten. Auch beim MFT (MicroFourThirds) -Sensorformat kommt auf diese Weise eine klare Freistellung zustande, obwohl der Abbildungsmaßstab nicht so groß wird wie beim Kleinbildformat. Lohnend ist es, die Technik des Stackings anzuwenden, also eine Reihe von Aufnahmen mit verlagerter Fokusebene zu erstellen.


Schachbrettfalter auf Schafgarbe. Zweite Julihälfte, 7 Uhr. –
Olympus E-M1X, Olympus 4/300mm Pro, f/4, 1/500 sec, -1EV, ISO 200

Häufig stelle ich eine Unterbelichtung ein, da das in den Tautropfen gebrochene Licht den Kontrast erhöht und ausgefressene Stellen im Bild erzeugen könnte. Hierbei ist das kleinere Sensorformat etwas anfälliger als moderne Kleinbildformat-Sensoren. Besonders wenn die Blüten und das Fotoobjekt weiß sind, der flächige Hintergrund aber im dunkleren Grün zurücktritt, ist es wichtig, auf eine Belichtungskorrektur zu achten. Alternativ bieten manche Kameras die Möglichkeit, auf die Spitzlichter zu belichten. Das ist eine meines Erachtens nützliche Funktion. Dennoch verlasse ich mich häufig lieber auf meine Erfahrungen, indem ich die gewohnte Belichtungsmesseinstellung verwende und einen Korrekturwert eingebe.

Welche Verschlusszeit eingestellt und welcher ISO-Wert gewählt wird, ergibt sich aus den Aufnahmebedingungen. Das können äußere und fotografisch-technische Bedingungen sein.

Äußere Bedingungen sind nicht nur die Lichtverhältnisse, sondern auch die Luftbewegungen und eventuelle Bewegungen des Motivs.

Hat der Wind bereits seine Hand im Spiel, müssen die Verschlusszeiten kurz bleiben, der ISO-Wert entsprechend höher gewählt werden. Die Entfernung von den Elementen des Hintergrunds bestimmt die zur Auswahl stehenden Blendenwerte, auch beim Stacking-Verfahren. 
Ohne Kenntnis der jeweiligen äußeren Bedingungen mögen manche Kombinationen von Blendenwert, Verschlusszeit und ISO-Einstellung irritieren und schwer nachvollziehbar erscheinen.

Fotografisch-technische Bedingungen spielen ebenfalls eine Rolle, etwa die Frage, ob die Kamera über eine interne Fokus-Bracketing-Funktion verfügt, und wenn, wie viele Aufnahmen pro Sekunde möglich sind. Wenn die Kamera diese Funktion vermissen lässt, ist es erforderlich, durch die Bewegung des Einstellschlittens oder durch Drehen am Fokusring des Objektivs die Verlagerung der Schärfenebene zu erreichen. In beiden Fällen dürfen die Verschlusszeiten nicht zu lang werden, sonst entstehen Unschärfen durch die unvermeidlich von der Hand auf das Aufnahmegerät übertragenen Bewegungen. Kürzer als 1/100 sec sollten die Zeiten werden, wenn der Abbildungsmaßstab sich etwa ½ nähert. Je größer der Abbildungsmaßstab, je stärker die Übertragung der Bewegungen – das kann schon von der erforderlichen Handhaltung bei bodennahen Aufnahmen abhängen. Umso kürzer sollte die Verschlusszeit sein.

Ungleich sicherer darf man sich fühlen, wenn die Kamera über eine interne Fokus-Bracketing-Möglichkeit verfügt und die Kamera auf einem Stativ steht. Dann ist (in der Regel) keine Berührung der Kamera oder des Objektivs erforderlich, um die Fokusreihe zu durchlaufen. Ist die Kamera schnell, hat man sogar bei Wind eine höhere Chance, in einem Augenblick der relativen Ruhe eine brauchbare Aufnahmereihe zustande zu bekommen.


Fliege auf einem Himbeerblatt. Anfang August, 8 Uhr.- 
Sony A6400, Sigma 2,8/150mm Macro, f/5,6, 1/320 sec, -1EV, ISO 640, Stack aus vielen Einzelaufnahmen


Verblühtes Habichtskraut. Der Tauniederschlag ruft noch den Eindruck der Frische hervor, trotz des verblühten Zustands.– Zweite Julihälfte, 6.35 Uhr. -  OM-1, Olympus 2,8/60mm Macro, f/4, 1/100 sec, ISO 640, Stack aus 32 Aufnahmen


Siebenpunkt-Marienkäfer auf einem Himbeerblatt, das noch frisch wirkt. Strenge Linienführung, Betonung des Kontrasts der komplementären Farben. - Erste Augusthälfte, 8 Uhr. -  Sony A6400, Sigma 2,8/ 150mm Macro, f/5,6, 1/250 sec, -1EV, ISO 640, Stack aus mehreren Aufnahmen


Wiederum ein Siebenpunkt-Marienkäfer auf einem Himbeerblatt, diesmal einem nicht mehr frischen. Durch weichere Linien- und Formenführung und anderem Bildaufbau wirkt der Käfer geborgener. -  Mitte August, kurz vor 8 Uhr. - Sony A7RIII, Laowa 2,8/ 100mm Ultra Macro 2:1, f/4, 1/320 sec, -0,7EV, ISO 1000, Stack aus mehreren Aufn.

 


Später Blütenstand (zweite Blüte) eines Spierstrauchs über verblühten Teilen. – Zweite Augusthälfte, 8.10 Uhr. - Nikon Z 7II, Sony 2,8/90mm Macro, f/2,8 (offene Blende), 1/250 sec, ISO 64, Stack aus 62 Aufnahmen. Um den Blütenstand aus dem dichten Bewuchs des Strauchs möglichst weitgehend freizustellen, war es angebracht, mit offener Blende zu fotografieren.


Das bleibt von den Blüten des Greiskrauts. Die leuchtende Farbe ist verschwunden. Vergehendes und Frisches fallen zusammen. – Mitte September, 7.50 Uhr. - OM-1, OM 3,5/90mm Macro, f/5, 1/250 sec, ISO 640, -0,7 EV, Stack aus 35 Aufnahmen.

Tautropfen: Feinheit, nicht Effekthascherei


Es kommt mir nicht darauf an, die winzigen Tauperlen durch Lichteffekte wirkungsvoll in Szene zu setzen. Ohnehin mag ich Bilder nicht, die auf Effekt getrimmt sind. Das kann vordergründig beeindrucken, lenkt aber allzu oft von Vielem ab, was bei sorgfältigem Hinsehen, beim Durchmustern des Bildes mit den Augen zu erkennen ist.

Darum versuche ich, weitgehend mit dem natürlich vorhandenen Licht auszukommen. Künstliches Licht, sei es Licht aus Flächenleuchten oder Blitzlicht, setze ich nur zurückhaltend ein. Es gibt natürlich durchaus Situationen, in denen etwa zur Aufhellung stark verschatteter Bereiche oder zur Balance in der Helligkeit unterstützend eingesetztes künstliches Licht erforderlich oder förderlich ist. Alle hier gezeigten Aufnahmen sind aber bei vorhandenem natürlichen Licht gemacht.

 


Hauhechel-Bläuling im natürlichen Morgenlicht, der Hintergrund liegt noch im Schatten. – Anfang September, 9.20 Uhr. - OM-1, Olympus 2,8/40-150mm Pro mit MC-20, f/8, 1/800 sec, ISO 640, -1 EV, Stack aus 9 Aufnahmen

Überzogene Beleuchtungsakzente empfinde ich als Effekthascherei, sie machen mich skeptisch, sie unterdrücken den dokumentarischen Anteil, den jede Fotografie immer noch hat – im Gegensatz etwa zu Produkten der „künstlichen Intelligenz“ -, und sie verführen dazu, auf flüchtige, momentane, kurzfristige Wirkungen zu setzen, die sich abnutzen. 

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